Der Steuermann
Porträt von Bernd Ulbricht, CFO, Siemens AG Österreich.
Dieser Beitrag ist erstmalig in CFO aktuell – Zeitschrift für Finance & Controlling 01/2025 im Linde Verlag erschienen.
Autor: Josef Ruhaltinger ist Journalist und Publizist in Wien (businessnews.at).
Es waren für Europas Unternehmen die goldenen Jahre. Zum Millenniumswechsel bot China den westlichen Konzernen ein Schlaraffenland der ökonomischen Selbstverwirklichung: Deutsche Automarken – allen voran VW – verfügten über einen Marktanteil von 65 Prozent. Große und kleine Industriegruppen eröffneten Produktionswerke im Wochentakt, Wirtschaftsdelegationen aus aller Herren Länder gaben sich in den Ministerien Beijings die Klinke in die Hand. Der Konjunkturzug stand unter Volldampf: Das chinesische Wirtschaftswachstum betrug jährlich um die zehn Prozent. In China herrschte in den Nullerjahren des neuen Jahrtausends Boomtown-Stimmung. Bernd Ulbricht war mittendrin.
Der gebürtige Schwabe und Finanzvorstand von Siemens Österreich war zu jener Zeit Head of Finance von Siemens Transportation Systems, der Verkehrstechnikdivision des Konzerns. Sein Wohnsitz und der seiner Familie war von Juli 2002 bis Dezember 2005 Beijing – oder genauer gesagt – ein Vorort der prosperierenden Hauptstadt: „Wir wohnten in einem separierten Compound 20 km vor den Toren der Stadt“, erinnert sich Ulbricht. Ausländer durften sich damals in China nicht nach eigenem Gutdünken niederlassen. „Wenn wir die Straße querten, waren wir inmitten einer sehr, sehr traditionellen chinesischen Gemeinde.“ Garküchen boten scharfe Genüsse, und zum Frühlingsfest, dem chinesischen Neujahr, wurde mit Feuerwerkskörpern und papierenen Dekorationen eindrucksvoll gefeiert.
Als Finanzvorstand von Transportation war Ulbricht in erster Linie für die finanz- und kostentechnische Abwicklung von Projekten verantwortlich: „Mir ist in meiner Karriere nirgendwo sonst eine derartige Intensität im Geschäft begegnet wie in meinen Jahren in China.“ Der Einsatz und die Hingabe der chinesischen Kollegen sei „beeindruckend“ gewesen. Als Projektverantwortlicher sei er „immer unter Spannung“ gestanden. Es wäre seine zentrale Aufgabe gewesen, „in allen Bereichen die Qualität hochzuhalten“. Eine seiner Erfahrungen: „Wenn etwas an einem Tag mit dem Team super geklappt hat, hat das nicht bedeutet, dass es am nächsten Tag mit denselben Leuten wieder so funktionieren würde.“ Das Auf und Ab hätte seinen Tribut gefordert. „Rückblickend waren die Jahre in China vielleicht die lehrreichsten, aber sicher die intensivsten in meiner Karriere.“
NextGen: Meet the CFO
Mit Bernd Ulbricht, CFO der Siemens AG Österreich
Das eigens für Young Professionals in der Finanzorganisation entwickelte Format Meet the CFO findet am 18.09.2025 mit Bernd Ulbricht statt! Bernd Ulbricht, CFO der Siemens AG Österreich, steht für moderne und strategische Finanzführung in einem international vernetzten Konzern. Seine Rolle umfasst nicht nur die Leitung der österreichischen Landesgesellschaft, sondern auch Verantwortung für 25 weitere Länder in Südosteuropa, Israel und Mittelasien.
Für Nachwuchsführungskräfte, Next Generation der Finanzorganisation, Young Professionals.
Anmeldeschluss: 07. September 2025
DEN KURS BESTIMMEN
Der 59-jährige Bernd Ulbricht übernahm im Februar des Vorjahres die Position des Finanzvorstandes von Siemens Österreich. Er steuert damit die Budgets einer der wichtigsten Landesgesellschaften des großen deutschen Mischkonzerns – und dies ist keine austroide Selbstüberhöhung. Siemens Österreich hat einen besonderen Stellenwert im globalen Netz der deutschen Technologiegruppe (weltweit 312.000 Mitarbeiter). Bernd Ulbricht und seine Wiener Vorstandskollegin verantworten nicht nur die wirtschaftlichen Geschicke der Siemens AG Österreich (ca 9.000 Mitarbeiter), sondern auch jene von 25 weiteren Ländern in Südosteuropa inklusive Israel und Mittelasien. Die „viele Verantwortung, die in Wien konzentriert ist“, habe ihre Gründe: „Ich nehme uns als starke Organisation mit exzellenten Teams wahr, die im Konzern auch gehört wird.“
Seine Position als CFO sei mehrschichtig. „Ich versuche, nach einem Kompass zu steuern, dessen Kurs von etlichen Elementen bestimmt wird.“ Datenklarheit und Governance-Regeln seien dabei die Basis-Ingredienzien. Dazu brauche es aber noch den „Investorenblick“. Würde ein Aktionär Geld für ein ins Auge gefasstes Projekt riskieren? Ein weiterer Erfolgsparameter sei die Mitarbeiterentwicklung: „Wir brauchen Teams, die den gleichen Kurs steuern und sich dazu auch befähigt fühlen.“ Ein CFO müsse zudem der „Businesspartner des CEO“ sein. „Wie nützen wir die vielen Informationen für unsere Pläne und Ziele? Hier ist die enge Abstimmung und Beratung enorm wichtig.“ Die Vielschichtigkeit der Position sei das Ergebnis eines grundlegenden Wandels, der in den vergangenen 15 Jahren stattgefunden hat. „Früher haben alle im Meeting gewartet, dass der CFO die Zahlen berichtet. Heute liegen die Daten für jeden jederzeit auf dem Tisch.“ Daher gehe es darum, zu entscheiden, „was wir auf Basis der Unternehmenszahlen und der Marktdaten machen.“ Die Digitalisierung habe das Jobprofil eines Finanzverantwortlichen grundlegend gewandelt.
Mit der Position hat sich auch das Unternehmen verändert – und damit das Managementprofil. Siemens wandelte sich in dreißig Jahren vom Hardwareproduzenten, der vom Anlagenbau über die Telekommunikation und Konsumtechnik bis zur Lokomotive alles fertigte, zu einem digitalen Technologiekonzern. „Ein Unternehmen mit stärkerem Fokus auf Software ist anders zu führen als eine Industriegruppe, die ausschließlich Sachgüter produziert“, so Ulbricht.
FAMILIENBANDE
Der junge Finanzmanager wurde bald von den Personalentwicklern als „High Potential“ eingestuft: Bei Siemens – und praktisch allen anderen Unternehmen – bedeutet dies: Wer am Ball bleibt und Ehrgeiz zeigt, hat gute Karriereperspektiven. Bei Bernd Ulbricht nahmen diese schnell realen Formen an: Nach wenigen Jahren in Deutschland und ersten europäischen Projekten – Ulbricht war dabei, als 400 elektrische Lokomotiven nach Österreich verkauft wurden – kam das Auslandsengagement in Beijing, wo die zweite Tochter geboren wurde. Dann ging es für fünf Jahre ins beschauliche Konstanz – „die Stadt gilt als Karrieregrab, weil sie so schön ist und keiner mehr weg will“ –, um dann nach schmerzvoller Verabschiedung nach Stockholm zu wechseln, wo Ulbricht zuletzt die Finanzagenden des gesamten skandinavischen Raumes dirigierte.
Nach fünf Jahren im IKEA-Land erfolgte ein mehrjähriger Ruf ins Siemens-Zentrum nach Erlangen, dem im Vorjahr der Umzug nach Wien folgte – die konsequente Fortsetzung des Karriere-Zickzacks aus Inlands- und Auslandpositionen, den Siemens-Manager und -Managerinnen der obersten Etage hinnehmen müssen. Ulbrichts Vorgänger ist heute CFO von Siemens Indien. „Meine Familie war immer an meiner Seite“, unterstreicht Ulbricht, wenn es auch nicht immer einfach war. „Die Entscheidung, nach Beijing zu gehen, erfolgte erst nach intensiven familiären Diskussionen.“ Die späteren Stationen in Europa brauchten keine Überzeugungsarbeit mehr: Das Leben in den wechselnden Kulturen war zum Lebensstil geworden. Nur die Reisetätigkeit begann Ulbricht mit den Karriereschritten und Lebensjahren zu nerven. „Am Anfang der Berufsjahre genießt man am Abend mit Kollegen noch einen Drink an der Bar. Das hört sich auf.“ Er habe längst begonnen, mit seiner Energie hauszuhalten.
Die Berufung nach Wien bedurfte wenig Überlegung, kokettiert Ulbricht: „Da habe ich schnell die Hand gehoben.“ Zudem wollte er wieder „mehr mit Mitarbeitern und Teams zu tun haben.“ Siemens Österreich biete einen breiten Strauß an Aufgaben und finde sich in einer hervorragenden strategischen Position, die es auszubauen gelte. Aber dabei handle es sich um Draufgaben, lächelt Ulbricht am Ende des Interviews: „Ich fühle mich in Wien sehr wohl. Ich mag den Wiener Schmäh.“
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