KI-Use-Cases im Controlling – Über den Status quo erfolgreicher KI-Anwendungen

Künstliche Intelligenz hält Einzug in Controlling & Finance – doch Österreichs Unternehmen gehen sehr unterschiedlich damit um. Während einige bereits prädiktive Modelle oder Unternehmens-GPTs einsetzen, bleiben andere zurückhaltend. Eine neue Typologie zeigt, welche Use Cases heute schon erprobt sind, wo noch experimentiert wird – und welche Fragen sich daraus für die Finanzpraxis ergeben.


EINSATZ VON KI IM CONTROLLING & FINANCE: FIRST MOVER ODER SPÄT BERUFEN?

Aufgrund der zunehmenden Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenzen ist eine steigende Anzahl an Unternehmen mit der Umsetzung von KI-Use-Cases befasst. Allerdings lässt sich unter österreichischen Unternehmen eine äußerst vorsichtige Annäherung an den KI-Einsatz beobachten, und die rasante Explosion erfolgreicher, effizienzsteigender KI-Anwendungen bleibt bisher aus. Während manche Unternehmen gezielte KI-Strategien und -Strukturen implementiert haben, die sie zu First Movern bei der Umsetzung von KI-Use-Cases machen, warten andere ab und setzen erst dann Use Cases um, wenn es ausreichend Erfahrungen mit erfolgreichen Anwendungsfällen gibt. Das ist legitim, doch ist Unternehmen in abwartender Rolle anzuraten, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um rechtzeitig den Anschluss an den technologischen Fortschritt zu finden.

Mittlerweile gibt es einige gut erprobte Use Cases, die in einer Vielzahl von Unternehmen und Anwendungs-Settings erfolgreich implementiert wurden, sodass sich auch „Spätberufene“ damit befassen könnten. Jedoch fehlt es an Orientierungsmöglichkeiten, welche Ansätze Erfolg versprechend sind.

USE CASES – VON EXPERIMENTELLEN BIS ZU BEWÄHRTEN KI-ANWENDUNGEN

Um die Orientierung zu erleichtern, wurde die im Folgenden zu beschreibende KI-Use-Case-Typologie erstellt, die Anwendungsfälle danach clustert, wie experimentell oder bewährt diese aktuell sind. Sie beruht einerseits auf Erfahrungswerten der Community of Practice „KI im Controlling & Finance“ des Controller Instituts Austria, der ca. 40 große und mittelständische Unternehmen angehören, und andererseits einer Sammlung von 100 Use-Case-Präsentationen der vergangenen 12 Monate im Rahmen von KI-Management-Zertifizierungen bei Austrian Standards.

Als Spitzenreiter werden jene Use Cases beschrieben, die bereits von mehreren österreichischen Unternehmen in diversen Anwendungs-Settings erfolgreich umgesetzt wurden und bei Use-Case-Präsentationen regelmäßig vorgestellt werden. Im Mittelfeld sind Anwendungen zu finden, die in mehr als einem Unternehmen erfolgreiche Umsetzung gefunden haben. Die experimentelle Kategorie umfasst Use Cases, die vereinzelt umgesetzt wurden oder sich in der Konzeptionsphase befinden, wobei noch keine Erfahrungswerte über Umsetzungserfolge vorliegen.

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SPITZENREITER

Zu den mehrfach erfolgreich umgesetzten Use Cases gehören prädiktive KI-Anwendungen, etwa für die Vorhersage von Zeitreihen (Verbrauch, Absatz, Kosten …) und für die automatisierte Erkennung von Datenanomalien. Gearbeitet wird hierfür mit Lösungen von IBM oder SAS oder es werden eigene Modelle in einer Python-Umgebung erstellt. Anwendungserfahrungen gibt es hierbei beispielsweise seitens Unternehmen in der Telekommunikationsbranche oder im Bereich der Energieversorgung.

Bei den Anwendungen generativer KI sind Unternehmens-GPTs auf der Basis von RAG-Architekturen (Retrieval-Augmented Generation) Spitzenreiter. Hier geht es um Sprachmodelle, die ähnlich wie Chat-Bots Auskunft auf Anfragen auf der Grundlage von Unternehmensunterlagen erteilen. Umsetzungsbeispiele gibt es aus den Bereichen der Policy-GPTs, bei denen User:innen Fragen zu Unternehmensrichtlinien stellen können, und im Sales-Bereich, wenn es um Auskünfte zu Produkten aus der Produktpalette des eigenen Unternehmens geht. Das Besondere an diesen Anwendungen ist, dass eine Suche in einer großen Menge an Unterlagen stattfindet. Deren Inhalte werden für die User:innen in natürlicher Sprache aufbereitet. Zusätzlich wird das Quelldokument angezeigt, sodass User:innen die erhaltene Auskunft auf der Grundlage des Originaldokuments validieren können.

Die Verwendung von KI-Lösungen zur Unterstützung administrativer Abläufe ist ebenfalls bereits weit verbreitet. Hier gelangen unternehmenseigene GPT-Umgebungen etwa von OpenAI oder MS Copilot zur Anwendung.

Im Buchhaltungsprozess werden ML-Lösungen zur automatisierten Erfassung sowie zum Abgleich von Bestellungen und Rechnungen, Anboten, Leistungsbeschreibungen und Lieferscheinen erfolgreich eingesetzt.

MITTELFELDSPIELER

KI ersetzt den Menschen nicht, sie wird zum Partner: Sie übernimmt monotone, zeitintensive Aufgaben, analysiert große Datenmengen und unterstützt komplexe Entscheidungen. Das schafft Freiräume für Kreativität, Problemlösung und Innovation – und führt zu Arbeitsmodellen, in denen sich Menschen stärker auf wertschöpfende, kreative und zwischenmenschliche Tätigkeiten konzentrieren.

Damit einher geht eine Qualifizierungsaufgabe: Unternehmen, Bildungsinstitutionen und Politik müssen Kompetenzen kontinuierlich weiterentwickeln, damit Österreich die Zukunft der Arbeit aktiv mitgestaltet.

ÖSTERREICH ALS KI-INNOVATIONSSTANDORT – AUFRUF ZU PARTNERSCHAFT UND AKTIVER MITGESTALTUNG

Die Dichte an Use Cases im Reporting ist vergleichsweise geringer. Vermutlich liegt das an der Komplexität der Prozesse und zu verarbeitenden Informationen. Das Extrahieren von Daten aus Datenquellen und Generieren von Datenmodellen, die dann zur Auswertung und Visualisierung gelangen, wird in der Regel mit BI-Lösungen automatisiert. KI kann bei der Extraktion relevanten Datenmaterials unterstützen, indem Anfragen, die in natürlicher Sprache formuliert werden, in eine SQL-Abfrage übersetzt werden. Die relevanten Daten werden dann abgefragt und in Beziehung zueinander gesetzt, sodass die gewünschte Auswertung angezeigt wird. In besonders fortschrittlichen Anwendungen erfolgt auch eine Visualisierung der Daten oder deren Interpretation in natürlicher Sprache. Herausforderungen bei der Implementierung dieser KI-Anwendungen bestehen in der Komplexität der Prozesse und der Gestaltung der Schnittstellen auf dem Weg von der Datenhaltung bis zur Darstellung und Kommentierung. Ein mittlerweile lösbares Problem stellen die Zugriffsrechte dar. In der Architektur einer solchen Lösung ist ein Rechtemanagement für Datenzugriffe zu implementieren.

Für Industriebetriebe relevant sind KI-Anwendungen in den Bereichen Predictive Maintainance und Produktionsüberwachung. Hier sind Anwendungen mittels automatisierter Verarbeitung von Bild- und Sensordaten möglich. Beispielsweise können bereits geringfügige Normabweichungen in der Produktion mittels Kamera erfasst und mithilfe speziell trainierter Modelle identifiziert werden.

ANWENDUNGEN FÜR EXPERIMENTIERFREUDIGE

Erste Berichte über Use Cases in den Bereichen Risikoidentifikation, Bilanzanalyse, Kennzahlenanalyse und AI-Agents
liegen ebenfalls vor. Zum Zweck der Risikoidentifikation wird generative KI mitunter Erfolg versprechend bemüht, indem Informationen zu Branche, Unternehmen und Marktumfeld zur Verfügung gestellt werden. Hier können Deep-Research-Funktionen, die einige Anbieter von Sprachmodellen zur Verfügung stellen, aufschlussreiche Ergebnisse liefern. Sprachmodelle sollen auch bei der Analyse von Bilanzen – über einen zeitlichen Verlauf betrachtet – interessante Ergebnisse liefern, indem Entwicklungen von Bilanzkennzahlen kontextuell interpretiert werden. Dasselbe gilt für Kennzahlen, wobei hier das Modelltraining ein komplexes Unterfangen darstellt. Agentic-AI-Anwendungen werden durch einen niederschwelligen Zugang häufiger. Hier liefern Text-to-Table-Anwendungen und vice versa, bei denen insbesondere anwendungsübergreifende Aufgaben automatisiert werden, spannende Einsatzfelder.

Auch branchenspezifische Use Cases, etwa bei der Identifikation von Flächen für PV-Anlagen mittels Satellitenbildern oder der Vorhersage von Müllmengen für die Wärmeerzeugung, bieten spannende Einsatzmöglichkeiten für maschinelles Lernen und KI.

FAZIT

Der Kreativität bei der Identifikation von Use Cases sind keine Grenzen gesetzt. Grenzen entstehen aufgrund von Limitationen der Technologien und Architekturen, Kompetenzen, Policies oder Sicherheitsbedenken. Auch die Auseinandersetzung mit diesen Rahmenbedingungen und den Möglichkeiten der Beseitigung genannter Hürden ist ein wichtiger Schritt, der nicht länger aufgeschoben werden sollte. Dasselbe gilt für die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten, die KI-Technologien bieten, und der Frage nach dem Use Case, der als erstes oder als nächstes in Angriff genommen werden soll.


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